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Zen - Wegloser Weg

Unser Zen-Meister hat uns die Anregung mitgeben, uns Gedanken zum Thema "Wegloser Weg" zu machen. Dies als Einstimmung auf eine Austauschrunde der Zen-Assistenzlehrer:innen. In der Austauschrunde teilen wir unsere Zen-Erfahrungen und helfen uns gegenseitig, um unser Verständnis zu vertiefen oder neu zu überdenken.

Ja, was heisst jetzt "Wegloser Weg". Meine Antwort dazu lautet: es ist und gleichzeitig ist es nicht. Es ist ein Weg, jedoch ist dieser Weg Weglos. Einen Weglosen Weg könnte auch Nicht-Weg genannt werden. Und dieses "Nicht" lässt etwas weg. Was könnte dies sein? Auf dem Weglosen Weg lassen wir unsere Überzeugungen, Vorurteile und unsere Lebens-Konzepte sein. All diese Dinge werden abgelegt, wie man Kleider auszieht und der Körper dann nackt dasteht. Es geht jetzt aber nicht um unsere Kleidung, sonder um unsere geistigen Kleider, um Zen und damit "wie wir in die Welt schauen" und "welche Antworten wir in jedem Moment geben". Damit stehen wir nackt da, obwohl ich meine Hose, Jacke, Strümpfe und Schuhe immer noch trage.
Wie wir in die Welt schauen
Damit ist gemeint, in welcher Art und Weise ich auf die äussere Erscheinungen in jedem Monment reagiere. Im Zen spricht man auch von der "Rechten Sicht", ein Element des achtfachen Pfades. Wenn eine Person beladen ist mit Vorstellungen "wie die Welt sein sollte" und "was jetzt eigentlich geschehen sollte", so wird sie von der rechten Sicht abweichen. Ihre Sicht der Welt ist eine Sicht durch eine gefärbte Brille und damit basiert diese Sicht auf Vorannahmen, Begehren, Abneigungen oder Vorlieben. Mit dieser Brille wird sie die Wirklichkeit nicht wahrnehmen, sie bleibt ihr verborgen. Sie, die Person, wird von Aussen angeregt und diese Anregung wird sie anhand ihres Lebenmodells analysieren, filtern und beurteilen. Damit verfügt sie über ihre persönlich gefärbte Sicht auf die Welt. Und da dies von Moment zu Moment geschieht, könnte sich dieses Bild im Laufe der Zeit mehr und mehr verfestigen.

Was geschieht, wenn die Analyse der äusseren oder auch inneren Ereignisse nicht anhand des Lebensmodells analysiert wird? Wir schauen mit den Augen eines Kleinkindes die Welt an. Ein Kind verfügt noch nicht über ein angereichertes Lebensmodell. Damit kann es urspünglich handeln, von Moment zu Moment. In einem Moment lacht es herzlich, dann fällt es hin und schreit um gleich wieder zu lachen. Jeder Moment bringt Lachen oder Schreien hervor, so wie es dem Moment beliebt. Jetzt möchte ich nicht sagen, dass wir als Erwachsene uns wir Kinder verhalten sollen, nein dazu haben wir uns mit Recht entwickelt, schauen voraus, kümmern uns um unsere Kinder, gehen zur Arbeit oder zur Jagt, um Essen herbeizuschaffen. Und dies brauchen wir für unser Leben. Dies ist die Verantwortung und die natürliche Aufgabe erwachsener Menschen. Und jetzt kommt es: diese natürliche Aufgabe kann ich auch mit einer Rechten Sicht erledigen.

In der Zen-Praxis kennen wir die Methode des Samu, Arbeit in Achtsamkeit. Als Zen-Schüler putzen wir die Böden, rüsten Gemüse, waschen ab oder wir reinigen die Toiletten in Achtsamkeit. Mit der gleichen Achtsamkeit, die wir auf dem Kissen beim Meditieren einüben. Ich rüste also Gemüse, stehe in der Küche und nehme meine Umgebung wahr: da ist der Koch, der seinen Mitarbeitern Aufgaben gibt, da sind Maschinen, die kneten und rühren, Töpfe und Pfannen in denen gekocht und gebraten wird. All dies nehme ich wahr und ich lasse es durch mich durchfliessen. Da ist kein Nachdenken, warum der Topf nicht grösser ist oder warum das Personal zum Braten ein Öl nimmt, obwohl ein hartes Fett doch besser wäre. Ich konzentriere mich auf meine Tätigkeit und führe sie aus. Ich nehme diese Umgebung umfänglich als Gegenwart wahr. Jetzt bin ich Kind und Erwachsener. Mit ungeteilter Präsenz erledigt sich die alltägliche Arbeit.
Welche Antwort wir geben
Im ersten Schritt nehmen wir die Welt mit ihren Erlebnissen wahr. Unsere Sicht auf die Welt ist entscheidend für den nächsten Schritt, der Beurteilung, Entscheidung und des Handelns. Mit einer gefärbten Brille wird die Person ein Urteil fällen: gefällt mir, gefällt mir nicht oder ist mir egal.  Mit der rechten Sicht und mit der Abwesenheit von Konzepten verschwinden Vorlieben und Abneigungen, die Beurteilung erfolgt intuitiv. Es ist jetzt egal, ob es mir gefällt oder nicht, denn das was ist, ist so wie es ist, es kann nicht mehr geändert werden. Es wird akzeptiert. Mit der rechten Sicht kommt die Antwort in diesem Moment spontan und intuitiv hervor. Nicht ich mache die Antwort, sie kommt von selbst hervor, als Teil der ständigen Veränderung von Allem. Und diese Antwort ist wieder unverrückbar, wird akzeptiert und ist Ausgangspunkt für die nächste Antwort des Lebens.

09.10.2023, Klaus-Peter Wichmann





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